„Die müssen weg!“

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„Ein Platz im Gulag sei für mich schon reserviert“.

Es wäre „gut für den Genpool, wenn die Schwurbler aussterben“ würden. Leute wie ihn, „der zu dumm ist eine Maske zu tragen“, solle man „ins Lager bringen, einfach wegschaffen”.

Diese und andere “Nettigkeiten” gehören in den sozialen Medien, aber auch in öffentlichen Räumen, seit „Corona“ zur neuen Normalität. Freilich nur für die Menschen, die weiterhin unangepasst bleiben. Wer sich anpasst, hat nichts zu befürchten und bekommt das nicht so mit. Die brutale Realität der Ausgrenzung bekommen nur diejenigen zu spüren, die sich ihr aussetzen – gewollt oder ungewollt, spielt dabei keine Rolle.

Wenn Du eine Vorerkrankung hast oder es wagst, Dich zu erkennen zu geben als Freidenker, als jemand, der Frischluft den Polyproylen-Mikrofasern in der Lunge vorzieht, wenn Du es wagst, für Deine Grundrechte aufzustehen und diese offen einzufordern, dann bekommst Du ihn ab – den Hass.

Den unverhohlenen Hass derer, die wittern, dass Du in der Unterzahl bist. Das ist so etwas Archaisches, das sich seine Bahn bricht. Sie spüren, dass sie Hoheitsmeinung und Staatsgewalt hinter sich haben und durch diese „Rückendeckung“ trauen sie sich ihrem Hass freien Lauf zu lassen. Gerade eben noch, da haben sie bei Facebook ihr Gedenken ausgedrückt, den Minderheiten und Widerständlern des dritten Reiches. Und einen Kommentar später wünschen sie Dir Tod und Verwesung, verhöhnen Dich und werten Dich ab – Dich, einen vollwertigen Menschen, der nicht in ihr Weltbild passt. Belustigend finden sie das, gegenseitig stacheln sie sich an zu immer neuen Gemeinheiten. Dabei verstecken sie sich hinter dem unantastbaren Schein des politisch Korrekten und moralisch Überlegenen, geben sich nach außen als Geschichts-bewusst und Anti-rassistisch. Vielleicht kaufen sie sich das sogar selbst ab, diese „Menschenfreunde“, die andere Menschen gern mal „ins Lager schicken“. Funktionieren kann dieses Paradoxon der Selbstlüge nur, weil sie sich nicht tiefergehend mit Rassismus befasst haben. Für sie ist “Anti-Rassismus” eine Mode-Erscheinung, so etwas wie Punkmusik oder eine coole Lederkutte, die man sich überwirft, um in der Peergroup einen Bonus zu bekommen. Anti-Rassismus ist  bei Ihnen zu einem Label verkommen, ist sozusagen das must have des Cool Kids, wohingegen alles und jeder, der auch nur irgendwie verdächtig wenig anti-rassistisch in Erscheinung tritt, sofort etwas Anrüchiges an sich hat. Lieber schnell ne Black Lives Matter Mütze anziehen, dann bist Du safe. Oder Sandy, die hat jetzt sogar ein „Hanau ist überall“ Tattoo! Die hat auch noch nen Antifa Button am Revers, die ist so woke – die kann ja jetzt sozusagen gar nicht mehr rassistisch sein, oder etwa doch?!

Menschenfeindliche Werbebotschaften: längst unsere traurige Realität

Leider ist es ganz so einfach nicht. Wenn das so wäre – fein, dann bräuchten wir nur jedem auf die Stirn zu schreiben “rechtschaffen” und die Probleme dieser Welt wären Schnee von gestern. Aber oft sind die, die ein ganz besonderes Augenmerk auf ihre „political correct“ Ausenwirkung legen, die schlimmsten Hetzer. Rassismus hat nämlich – Oh Wunder – nicht nur was mit Nazis und Juden und früher und so zu tun. Und ist auch nicht zwangsläufig an biologische Merkmale geknüpft. Rassismus ist wandelbar und betrifft immer neue Bereiche. So schreibt Albert Memmi, dessen Definitionsvorschlag viel Beachtung fand in der neueren Diskussion zu Rassismus:

«Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen.» (Albert Memmi, Rassismus, Frankfurt a.M. 1987, S.164)

Hört hört! Rassismus ist also per Definition auch eine Abwertung von Menschen mit abweichender Meinung (“Tatsächliche oder fiktive Unterschiede”), bei der sich der Ankläger die Gründe für seine Aggressionen in dem “anders sein”(etwa die angebliche moralische Unterlegenheit) der anderen sucht. Man kann das übrigens auch “gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit” nennen.

Was hier passiert, ist in seiner Perfidie kaum zu übertreffen: eine Gruppe von Menschen (Impfbefürworter) erhebt sich moralisch über eine andere Gruppe von Menschen (Impfkritiker) mit der Begründung, die andere Gruppe sei „unsolidarisch“. Dies passiert komplett auf emotionaler Basis, da die aktuellen Impfungen keine „sterile Immunität“ erreichen, somit also auch keine Infektionsketten durchbrochen werden. Der Aggressor spielt sich hier also lediglich auf – seine moralische Überlegenheit ist rein fiktiv, was ihn natürlich nicht davon abhält, sie emotional komplett zu verkörpern und darin aufzugehen. Das geht so weit, dass dann diese Gruppe, von der die eigentliche Aggression ausgeht („Ins Gulag, ins Lager mit Euch etc„) , nun auch noch ausgerechnet die Gruppe attackiert, die sich ja für die Grundrechte ALLER einsetzt – die also gerade den totalitären Abbau der Freiheit versucht zu vereiteln. Verkehrte Welt.

Im Handbuch soziale Probleme heisst es: “Die Qualität einer (demokratischen) Gesellschaft bemisst sich – unabhängig davon, ob sich sie sich aus einer Bevölkerungsmehrheit und verschiedenen Minderheiten zusammensetzt oder ob es sich aufgrund von sozialen, kulturellen, ethnischen Ausdifferenzierungen um eine Multiminoritätengesellschaft handelt – u. a. an dem Umgang verschiedener Bevölkerungsgruppen untereinander.”

Was bedeutet das für die Qualität unserer (demokratischen) Gesellschaft, wenn diejenigen Menschen aus unserer Gesellschaft, die die Massnahmen in Frage stellen, aus der Mitte der Gesellschaft heraus mit Hassrede, Abwertung und Verunglimpfung belegt werden?

Die Antwort dürfte jeder und jedem klar sein: nichts Gutes. Wir erleben gerade, wie im Eiltempo alles, was nicht Mainstream ist, angefeindet wird. Ob das Kommentare bei Facebook sind, bei denen Maskenverweigerer “verrecken” sollen oder gleich in Lager verbracht werden, oder Zeitungsartikel, in denen die “Gefährlichkeit der Verweigerer und Leugner” (an sich schon diffamierende Polemik!) unters Volk gestreut wird – die Hetze ist ganz real und sie wird auch von nicht wenigen sogenannten Journalisten noch befeuert. So liest man häufig Meinungen wie diese in der FAZ am 21.2.21 “Impfverweigerer hätten ein unkooperatives, antisoziales Verhalten und verdienten gesellschaftliche Ächtung”. “Eine Gruppe von asozialen Vollidioten” wettern Prominente wie der Schauspieler Christoph Waltz derweil, ohne, dass jemand daran Anstoß nähme, außer den Beschimpften selbst. Die Liste ließe sich beliebig fortführen, der Sack ist zugeschnürt und jeder, der Wut ablassen will, darf mal – gefühlt legitimiert durch den behaupteten Konsens – feste zu treten. Als ob das nicht genug wäre, will man die bösen Freiheitsrechtler noch “wissenschaftlich” überführen, das Gemeinwohl zu gefährden, indem man pseudowissenschaftliche Studien verbreitet, die durch Falschinformation Wut und Hass in der Bevölkerung schüren dürften. Die Labels “Gefährder” und “Bio-Terroristen” liegen bereits in der Schublade – jederzeit griffbereit, hervorgeholt zu werden. Mit ihnen werden die Abtrünnigen noch weiter stigmatisiert und zum Abschaum der Gesellschaft degradiert. Willkommen in der neuen Normalität. Wie Geschichtsvergessen muss man sein, um nicht zu sehen, was gerade passiert? 

„Im Faschismus geht es um die mythische Einheit von Führer und Volk. Das ist das, was faschistische Bewegungen anstreben und dazu verstehen sie es, Gefühle anzusprechen, Leidenschaften zu mobilisieren und vor allem auf die Emotion zu setzen und vor allem auch zu vermitteln, dass Gemeinschaft ein eigener Wert sei. Also, was sie neu gestalten wollen ist, die Gesellschaft eben nicht als Individuen zu sehen, sondern das Verhältnis von Individuum und Kollektiv neu gestalten und die Gemeinschaft als eigenen Wert zu gestalten und sozusagen zu vermitteln, dass man aufgehen müsse in der Wärme, die die Gemeinschaft einem gibt. Darauf setzen Faschisten und das impliziert natürlich auch das Ressentiment. Ausgeschlossen werden all diejenigen aus der Gemeinschaft, die aus irgendwelchen Gründen nicht dazu gehören sollen.“

schreibt Prof. Dr. Sybille Steinbacher, Direktorin des Fritz Bauer Instituts und Inhaberin des an der Goethe-Universität Frankfurt am Main neu geschaffenen Lehrstuhls zur Erforschung der Geschichte und Wirkung des Holocaust. Noch Fragen?


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