Meine ganz persönliche Ping-Pong Show

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Okay, also wie beginne ich das? Es wird auf jeden Fall um Tischtennis gehen und auch darum, wie ich hier in Bangkok wieder professionell trainiert habe, nachdem ich seit ca. 24 Jahren kein Tischtennis Training im eigentlichen Sinne mehr absolviert habe. Worum es aber vor allem gehen soll, ist das Unsichtbare. Also das, worum es im Sport bzw der Praxis des „sich Übens“ immer auch geht, was aber am Ende häufig durch Wettbewerbsdenken und/oder Ergebnis-Orientierung überdeckt wird.

Meine späte Innenschau

Jeder, der schon mal mit einer gewissen Portion Ehrgeiz an der Platte stand, weiß es natürlich: Tischtennis ist nicht nur ein körperlich/technischer, sondern auch ein mental anspruchsvoller Sport – und nicht selten gewinnt am Ende derjenige, der „die besseren Nerven“ hat.

Für mich hat das aktuelle Wiedereinsteigen in den Sport jedenfalls auch eine sehr interessante psychologische Komponente, die vor allem dann zum Tragen kommt, wenn sich die Emotionen zwischen mich und meine Leistung drängen. Und erst jetzt, mit 40, wird mir bewusst, dass es vor allem die Emotionen waren, die mich damals, mit ca 16 oder 17 Jahren dazu gebracht haben, mit dem Tischtennis Spielen aufzuhören. Genauer gesagt waren es die Emotionen, die ich nicht verarbeiten konnte damals. Ich war nicht in der Lage, mit Niederlagen umzugehen und hatte leider keine Unterstützung dabei, hatte niemandem, mit dem ich darüber sprechen konnte, was in mir vorging. Um es offen zu sagen: ich war jähzornig, laut und als Gegner sicher nicht nur aufgrund meiner Spielstärke unbeliebt, sondern vor allem aufgrund meiner aufbrausenden Art. Als es dann nach einigen Jahren einen besseren Spieler im Verein gab (übrigens heute immernoch ein erfolgreicher Spieler, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat und inzwischen in meinem damaligen Verein den Nachwuchs trainiert), gegen den ich in der Folge kontinuierlich verlor, war mein Ende besiegelt.

Training im „Adam’s family Gym“ Bangkok

Anstatt an der Herausforderung zu wachsen, gab ich auf, vor mir schien eine unüberwindbare Mauer aufgebaut zu sein, die ich aus mir heraus – zum damaligen Zeitpunkt – nicht zu meistern im Stande war. Aber wirklich verstanden, was mein Problem damals war, habe ich jetzt vor kurzem erst – nämlich, als ich wieder mit den starken Emotionen konfrontiert war, die aufkommen, wenn ich mir selbst nicht „gut genug“ bin, also hinter meinem Erwartung an mich selbst zurück bleibe – idR verbunden mit einer Niederlage gegen einen Gegner, den ich eigentlich „schlagen“ könnte. Dann spüre ich regelrecht, wie in meinem Inneren das Leiden „übernimmt“ und beginnt, Geschichten aufzuwärmen, die eigentlich längst durch sind. Negative Glaubenssätze a là „Du bist schlecht“, „Du machst nichts aus deinen Möglichkeiten“, „es wäre wohl besser, wenn Du komplett damit aufhörst, es hat ja doch keinen Sinn“, übernehmen dann meine Innenwelt und das – um es hier mal so deutlich zu sagen – tut unfassbar weh. Ich erinnere mich an Spiele, bei denen ich mich nur aus Scham nicht auf den Boden geschmissen habe und laut los geheult habe. Anstatt den Schmerz zuzulassen, wandelte ich ihn damals regelmäßig in Wut um – übrigens eine gängige Praxis bei vielen Spielern, die dieselbe Thematik betrifft. Als diese selbst-erniedrigenden Momente zur Regel wurden, hörte ich auf.

24 Jahre später

Sommer 2022 in Berlin. Meine Freunde Uwe und Dietmar, diese beiden irgendwie jung im Geiste gebliebenen Mitte-Fünfziger, haben mal wieder etwas Neues: sie treffen sich zum Tischtennis Spielen im Park. Aber sie tun das derart leidenschaftlich, dass es nicht lange dauert, bis ich – zunächst fast ein bisschen widerwillig – auch mal wieder einen Schläger in der Hand habe.

Ein guter Tag mit reichlich Zuversicht

Der Enthusiasmus der beiden beeindruckt mich, sie spielen bei fast jedem Wetter und Uwe kauft sich sogar einen neuen Schläger, dabei ist es sonst eigentlich gar nicht seine Art ist, sich etwas Neues anzuschaffen. Als ich seinen neuen Schläger in der Hand habe und ein paar Bälle damit spiele, macht es „klick“ und ich bekomme wieder Lust. Ich besorge mir kurzerhand auch dieses Holz bei „Spinlord“ (einem preisgünstigen, innovativen Internet-Anbieter) und spiele bald darauf auch öfters. Das Wetter passt zurzeit hervorragend und ehrlich gesagt bin ich heilfroh über eine Beschäftigung in diesen Tagen, denn meine Corona-Politik-Depression ist noch in den letzten Schüben. Die Fassungslosigkeit über eine offenbar betäubte Gesellschaft, die kein Problem mit Grundrechtsentzug zu haben scheint, dafür aber offenbar gern ein „bisschen mehr Diktatur“ wagt, sitzt tief. Zweiklassengesellschaft mitten in Berlin, 2G, Hetze, Hausdurchsuchungen bei Richtern, die nicht der Regierungslinie „entsprechen“, tiefste Gräben durch die Familien. Ein bisschen Tischtennis im öffentlichen Raum (anscheinend gibt es so etwas – trotz allem – immer noch) ist da Balsam für meine geschundene Seele.

In den letzten Jahren wurden zudem einige neue Platten in der Umgebung installiert und ich schaue mal ein bisschen was da so geht.. Innerhalb kurzer Zeit erfahre ich, dass am Weichselplatz anscheinend ein geeigneter Treff ist für Spieler, die – wie ich – keine Anfänger mehr sind und ich beschließe, mich dort einmal hinzubegeben und die „Fühler auszustrecken“. Und auch diesmal ist es wieder eine positive Erfahrung, die Community ist freundlich und spielstark und ich finde schnell Anschluss bei ein paar Spielern, eine WhatsApp Gruppe mit dem sympathischen Namen „Happy Flippers“ wird geboren und man trifft sich im Folgenden regelmäßig am Weichselplatz, wo die Stimmung im Regelfall respektvoll und sportlich ist, Ausnahmen gibt’s – aber das ist Berlin.

Gegen Asgar aus Dänemark habe ich keine Chance, aber Freunde werden wir trotzdem:)

Und dann geht alles ganz schnell. Aus der anfänglichen Idee, meinen Schläger mit nach Thailand zu nehmen, wird Wirklichkeit -während meines zunächst knapp 5-wöchigen Aufenthaltes in Bangkok wird das Tischtennis Spielen, bzw auch gezieltes Training mit einem Personal Coach schnell zu meiner Hauptbeschäftigung. Ich trainiere an zwei verschiedenen Orten und mache rasch Fortschritte. Meine Trainer sind angetan von mir und meinen Leistungen und ich bin unendlich froh, dass ich diese Entscheidung getroffen habe. Ich spiele dann auch mit sehr guten Spielern in Pattaya und später sogar in Kathmandu (Nepal), lerne bei alldem meinen neuen Freund Asger aus Dänemark kennen und trainiere 3 weitere Male in meiner Abschlusswoche in Bangkok.

Training nach Maß

Es ist das erste Mal, dass ich einen Trainer ganz für mich habe. Beide, Ton und Van, sind Thais und die Orte, an denen ich sie aufsuche sind zwei voneinander unterschiedliche Orte, an denen in Bangkok Tischtennis gespielt wird. Zunächst merke ich, wie unsauber mein Spiel inzwischen ist. Oder – noch schlimmer – war es evtl niemals wirklich sauber? Wie gut war ich damals eigentlich wirklich, ich kann das inzwischen nach über 24 Jahren kaum beurteilen. Gewisse Bewegungsabläufe sind „drin“ ich habe damals gelernt, dass die Position zum Ball, und dadurch die Beinarbeit VOR dem Schlag, entscheidend ist. Aber inzwischen bin ich vor allem unklar. Unklar in dem, was ich überhaupt mache und unsauber in der Ausführung dieser unklaren Abläufe. Van, der Trainer in Sena Nikon, erkennt dies und beginnt mit mir nochmal „von vorn“, beim Königsschlag des Tischtennis, beim Topspin. Er hat dafür sogar eine Apparatur erfunden, ein Gummirad, das er mit einer Klemme am Tisch befestigt und über das ich beim Üben der Bewegung mit einem Dummy-Schläger „streiche“. Ja, ich bin sehr offen für alles, was von ihm kommt und bereits das zeigt mir, dass ich in einem neuen Prozess bin, der schon vor langer Zeit begonnen hat. Ich bin ruhig und gelassener geworden, die Hilfestellungen, die mir gegeben werden, werden von mir dankbar angenommen. Nicht wie früher, als ich vieles nicht abnehmen wollte und zumeist in eine Art Opposition ging, weil ich nicht darauf vertrauen konnte, dass der oder diejenige, die mir Dinge sagte, es wirklich gut meinte, bzw ich selbst stets alles besser wissen wollte. Hier und heute ist es anders. Beide Trainer sind vor allem ruhig und freundlich. Ich nehme alles an und selbst wenn ich mal einen Anflug von innerem Zweifeln habe, ob diese Übung jetzt gerade die richtige ist, entspanne ich mich innerlich, bin ruhig und schaue, wohin es führt. Ich bin geduldiger geworden mit mir, mit dem Leben. Alles ist gut so, wie es ist. In vielen der ersten Stunden werde ich belohnt, ich führe Schläge aus, wie ich sie noch nicht zuvor „gespürt“ habe. Synapsen bilden sich in meinem Hirn, Van attestiert mir, dass mein Spiel sauberer wird und ich bin darüber sehr dankbar. Ich habe auf einmal das Gefühl, dass man mich hier mag. dass ich angenommen werde, so, wie ich bin. Die Trainingsstunden laufen idR mit Freude, Lachen und Heiterkeit ab und irgendwie bin ich auch selbst zu mir viel freundlicher, als ich es damals oft war. Ich war so unfassbar verbissen und habe mich innerlich schwarz geärgert, wenn ich zu viele Fehler machte. Ich werde Zeuge einer größeren inneren Gelassenheit und spüre plötzlich, dass die Wiederentdeckung des Tischtennis auch eine persönliche Dimension hat. Erst jetzt bin ich innerlich bereit und beweglich genug, damit der Wiedereinstieg überhaupt nachhaltig gelingen kann. Ich habe in einigen der Trainingseinheiten das Gefühl, dass ein Knoten platzt. Denn ich mache hier die unfassbar heilsame Erfahrung, dass man mit mir gemeinsam arbeitet, ich fühle mich gemeint und bin vollkommen ich selbst und im Moment. Die Lektionen, die ich beim Tischtennis lerne, haben plötzlich eine ganz neue, auch auf andere Lebensbereiche passende Dimension.

85 Jahre alt ist dieser junge Mann, sein Topspin brandgefährlich

Atmen

So lerne ich beispielsweise zum ersten mal, meinen Atem in das Spiel bewusst einzubeziehen. Auch komme ich wieder mit meinen „negativen“ Emotionen in Berührung, doch gleichzeitig beobachte ich mich selbst und übe meine Fähigkeit, auch bei herannahendem Frust, innerlich freundlich und freudig zu bleiben. Die Freude an der Sache verdrängt sukzessive den alten Adam, dem es vor allem um das Ergebnis, um das“gewinnen müssen“ ging. Ich habe das Vergnügen, gegen ganz wunderbare und unterschiedliche Menschen zu spielen und auch dabei ist mir sehr bewusst, wie sehr die „Beziehung“ zum Mitspieler (oder „Gegner“, je nach dem) eine Rolle spielt. Wie begegne ich dem anderen? Was sehe ich in dieser Begegnung? Ist er nur Mittel zum Zweck, nur eine Möglichkeit, mein Ego auszubauen, indem ich ihn vernichtend schlage? Ich habe Spieler getroffen, die mir genau dieses Gefühl bei ihrer Herangehensweise vermittelten. Natürlich sind sie auch diejenigen, die sich am meisten und lautstärksten aufregten, wenn etwas diesen inneren Geltungsdrang durchkreuzte. Ich kann mein früheres Ich regelrecht in Ihnen wiedererkennen. Und meine nun freundlichere, gelassener Art gefällt mir ehrlich gesagt viel besser. Klar, bei allen Lernprozessen und positiven Entwicklungen kam ich auch wieder an diesen unschönen Ort, an dem ich mich innerlich für meine Fehler zerfleischte. Aber genau dieses zu erkennen und damit in Berührung zu gehen, wird mir hoffentlich dabei helfen, mich längerfristig weiter zu entwickeln. Es sind jedenfalls Bewusstseinsprozesse in Gang gekommen, die vorher nicht da waren. Das Tischtennis Spielen ist eine Praxis. Wie jede Praxis, die Meisterschaft erlangen will, ist der Weg dorthin ein äußerer und ein innerer Weg. Mir wurde klar, dass ich die Praxis des Tischtennis Spielens für mich nutzen kann, auch um meine innere Entwicklung voran zu bringen. Es ist ein Geschenk, dass ich diese Praxis in der Jugendzeit beginnen durfte, um nun den Weg weiterzugehen.

Ein würdiger Abschluss

Die meisten Trainingsstunden habe ich letztlich bei Ton absolviert. Und das war teilweise echt hart. Ich habe gelernt, wie wenig Kondition ich habe und gleichzeitig in der Zeit hier zum ersten mal Cardio gemacht, also Laufband. Mir ist wieder eingefallen, wie wichtig „gute Beine“ sind und wie schnell es schmerzhaft wird, wenn ich wirklich so tief stehe, wie ich sollte. Und ich würde mich sogar dazu hinreißen lassen zu behaupten, dass ich aktuell besser Tischtennis spiele als jemals zuvor. Denn ich bin definitiv mental belastbarer und ausgewogener und auch, wenn ich gern noch viel mehr trainiert hätte: ich habe deutlich Fortschritte in Technik und Spielverständnis gemacht. Am letzten Tag dann läuft alles tatsächlich genauso, wie ich es mir im besten Falle erhofft hatte. Nachdem ich bisher chancenlos war gegen Ton (einmal holte ich einen Satz, aber in der Regel dominierte er unser Trainings-Abschlusspiel mit 3:0), frage ich ihn leicht enttäuscht über mein schlechtes Ergebnis nach einer Revanche. Er bejaht und motiviert mich dazu, das nächste Spiel aggressiver anzugehen. Das Offensivspiel ist das Schlüsselement zum Erfolg. Leider ist es auch und vor allem ein Spiel gegen sich selbst, denn wenn die Offensivschläge zu emotional werden, werden sie unsauber und man verliert gegen sich selbst, mein Angstthema, sozusagen. Aber dann läuft’s einfach. Ich beginne, mir mehr zuzutrauen und ich komme gut in den ersten Satz, den ich knapp verliere. Jetzt bin ich motiviert. Ich merke zudem, dass mein Trainer „wirklich“ spielt, ich sehe, wie er ins schwitzen kommt und sich über Punktgewinne richtig freut. Jetzt habe ich innerlich leichtes Spiel, denn mehr, als ein ausgewogenes und spannendes Spie, kann und möchte ich nicht erwarten. Ich hole den zweiten und vierten Satz und auch im entscheidenden 5ten ist das Spiel verblüffend offen, die Rallyes sind feurig und beide Spieler haben richtig Freude. Am Ende unterliege ich mit 3:2 und fühle mich großartig. Am liebsten würde ich Ton um den Hals fallen, es war wohl das beste Spiel meines Lebens.

Ein sehr herzliches DANKE an dieser Stelle an Ton, Adam und Mil von Adam’s Tabletennis Gym und an Van aus Sena Nikon für alles, was ihr mir beigebracht habt. Und wer weiß – vielleicht sehen wir uns am Ende schneller wieder, als gedacht.

Mein Trainer Ton

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