A history of Lockdowns

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Von Chris Stolle

Vor Corona gab es Lockdownmaßnahmen hierzulande zuletzt während der Choleraepidemie von 1892 in Hamburg. Während der Spanischen Grippe von 1918, an der 400.000 Deutsche starben, sprachen die staatlichen Autoritäten lediglich Empfehlungen aus, symptomatisch Kranke zu isolieren und Menschenansammlungen zu meiden. Aufgrund der hohen Krankenzahlen sollte es jedoch nicht überraschen, dass viele Geschäfte freiwillig oder notgedrungen den Betrieb einstellten.

Zwangsschließungen gab es jedoch ebensowenig wie während der Asiatischen Grippe von 1957 oder der Hongkong-Grippe von 1968, obwohl die Opferzahlen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung um ein Vielfaches höher waren als aktuell bei Corona. Warum sind Lockdownmaßnahmen bis hin zur Massenquarantäne also plötzlich so weit verbreitet und scheinbar alternativlos?

Vorreiter war die Einparteiendiktatur in China. Als dort von 2002 bis 2003 das SARS-CoV-1 grassierte und laut offiziellen Angaben einige tausend Chinesen infizierte, verordnete die Regierung eine Massenquarantäne sowie Schul- und Geschäftsschließungen. Gemessen an den finanziellen Einbußen beliefen sich die Kosten dieser Maßnahmen auf 15 Milliarden Dollar oder 1% des BIPs. Mit ein paar hundert Infizierten galt Toronto in Kanada ebenfalls als besonders betroffen. 25.000 Einwohner mussten in Quarantäne, Schulen wurden geschlossen und die WHO sprach eine Reisewarnung aus. Der finanzielle Schaden betrug 5 Milliarden Dollar. Um wieder auf die Beine zu kommen, feierte Toronto einen Tag vor dem offiziellen Ende der Pandemie ein Festival, das Sars-a-palooza mit den Rolling Stones als Headlinern und einer halben Million Zuschauern – ohne Masken und ohne Abstand. Erstaunlicherweise führte dies zu keinem erneuten Ausbruch von SARS-CoV-1 – zumindest wurde keiner gemessen.

2006 während der Vogelgrippe tat sich die Regierung von George W. Bush als Wegbereiter des Pandemie-Lockdowns hervor. Seine Administration setzte ein Team des Verteidigungsministeriums sowie den Onkologen Richard Hatchett (heute Chef der Koalition für Innovationen in der Epidemievorbeugung, CEPI, federführend bei der Entwicklung des Corona-Impfstoffs) darauf an, neue Strategien zum Umgang mit Pandemien zu entwickeln. Hatchett stieß dabei auf das High-School-Projekt der damals 14-jährigen Laura Glass, die gemeinsam mit ihrem Vater Robert, ein Systemanalytiker im Energieministerium, das Paper „Targeted Social Distancing Designs for Pandemic Influenza“ verfasste. Darin zeigen sie mathematisch, um wie viel schneller eine Pandemie beendet wäre, wenn sich Menschen seltener über den Weg laufen. Am schnellsten wäre eine Pandemie demnach beendet, wenn alle zu Hause bleiben, bis keiner mehr stirbt.

Inspiriert von der Idee des Pandemie-Lockdowns verfasste Hatchett 2007 eine eigene Studie, „Public health interventions and epidemic intensity during the 1918 influenza pandemic“. Darin untersucht er 17 US-Städte während der Spanischen Grippe und kommt zum Ergebnis, dass Städte mit mehr Lockdownmaßnahmen weniger Übersterblichkeit aufweisen. Am häufigsten waren Schließungen von Schulen und Unterhaltungsangeboten für zwei Wochen bis zwei Monate. Seltener waren Maskenpflicht oder Abstandsregeln. Letztlich spricht sich Hatchett bei einer modernen Pandemie für mehr und längere Maßnahmen aus als 1918. Zu den Kosten schweigt Hatchett ebenso wie dazu, dass Hausfrauen zu jener Zeit die Kinderbetreuung übernahmen, dass es nur wenige Unterhaltungsangebote gab, dass die Menschen weniger mobil waren und dass die Spanische Grippe vor allem junge Erwachsene dahinraffte. Mit anderen Worten: Die Maßnahmen von damals wären heute weniger zielführend und deutlich kostspieliger.

Dies bemerkte auch der Epidemiologe Donald Henderson, der mit seinen Impfkampagnen im Dienste der WHO maßgeblich an der Ausrottung der Pocken beteiligt war, ein wahrer Held der schulmedizinischen Praxis. 2006 veröffentlichte er gemeinsam mit weiteren Epidemiologen die Studie „Disease Mitigation Measures in the Control of Pandemic Influenza“. Darin erteilte er der Idee des Pandemie-Lockdowns eine unmissverständliche Absage. Zu einer Massenquarantäne heißt es bei Henderson: „Die negativen Konsequenzen einer großangelegten Quarantäne sind so extrem, dass diese Maßnahme auf keinen Fall ernsthaft in Betracht gezogen werden sollte.“ Zudem empfiehlt er eine freiwillige Isolation der symptomatisch Infizierten, Schulschließungen für maximal 10-14 Tage, keine verpflichtenden Absagen von Massenveranstaltungen und keine Einschränkungen der Reisefreiheit – stattdessen empfiehlt er Aufklärung über individuelle Präventions- und Hygienemaßnahmen. Am wichtigsten sei es, die Alltagsgeschäfte der Menschen so weit wie möglich aufrechtzuerhalten.

Die Bush-Regierung bevorzugte dennoch das Lockdown-Modell, was 2009 während der Schweinegrippe zu Beginn der Amtszeit von Barack Obama in Schulschließungen mündete. Interessanterweise sprachen sich wenige Monate später sowohl das staatliche Zentrum für Krankheitskontrolle und Prävention (CDC) als auch die Chefin des Heimatschutzministeriums angesichts der beobachteten gesellschaftlichen Schäden gegen erneute Schulschließungen im Falle einer Pandemie aus.

Besonders betroffen von der Schweinegrippe war auch Mexiko, das einen 5-tägigen Lockdown in Form von Geschäftsschließungen praktizierte. Zudem verordneten einige Länder Reisebeschränkungen für Flüge von und nach Mexiko, was laut der Studie „Human Mobility Networks, Travel Restrictions, and the Global Spread of 2009 H1N1 Pandemic“ jedoch lediglich zu einer dreitägigen Verzögerung bei der Verbreitung des Virus führte. Auf dem Höhepunkt der MERS-Corona-Pandemie im Jahr 2015 mussten knapp 17.000 Südkoreaner in Quarantäne, darunter ein gesamtes Dorf und zwei Krankenhäuser. Contact Tracing wurde eingesetzt, um Infektionscluster zu entdecken, und Quarantäneverweigerern drohten bis zu zwei Jahre im Gefängnis. Ob diese Maßnahmen notwendig waren, ist angesichts der Erfahrungen mit MERS in anderen Staaten mit weniger drakonischen Maßnahmen fraglich. Offiziell gab es in Südkorea 38 Todesfälle und 186 Infizierte, der finanzielle Schaden betrug 8,5 Milliarden Dollar.

Noch im letzten Jahr sprach sich die WHO im Leitfaden „Non-pharmaceutical public health measures for mitigating the risk and impact of epidemic and pandemic influenza“ gegen Lockdownmaßnahmen aus. Nach Möglichkeit soll eine freiwillige Isolation der symptomatisch Infizierten erfolgen. Bei einem milden Verlauf wäre ein Krankenhausaufenthalt nicht empfehlenswert. Auch Grenzschließungen und Reisebeschränkungen werden nicht empfohlen, ebensowenig wie Masken, Contact Tracing oder die Schließung von Schulen, Betrieben oder Lokalen – stattdessen einfache Hygienemaßnahmen wie Lüften und Händewaschen sowie Aufklärung über individuelle Präventionsmaßnahmen.

Wenn ich nun sehe, dass es selbst in Folge der Spanischen Grippe trotz 50 Millionen Toten weltweit kaum zu einer Wirtschafskrise kam (die Wirtschaftskrisen der 1920er und 1930er waren deutlich schlimmer) und wir aktuell laut OECD die schlimmste Krise der letzten 100 Jahre in Friedenszeiten heraufbeschwören, kommen in mir mehr als nur leise Zweifel auf. Ich denke, es ist höchste Zeit, dem Pandemie-Lockdown ein für alle Mal eine Absage zu erteilen und zu bewährten Strategien der Pandemiebekämpfung zurückzukehren: Aufklärung und Selbstverantwortung.

LINKS:

https://www.nytimes.com/2020/04/22/us/politics/social-distancing-coronavirus.html

https://www.who.int/influenza/publications/public_health_measures/publication/en/

https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0016591

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17238820/

https://www.aier.org/article/the-2006-origins-of-the-lockdown-idea/


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