BLEIBEN sIE GESUND UND DENUNZIEREN sIE IHREN naCHBARN!

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Danke an Dietrich Brüggemann für dieses mutige, wundervolle, erheiternde Statement! Gesehen bei Facebook.


„There was never any lockdown. There was just middle-class people hiding while working-class people brought them things.“ Dies schrieb der britische Kunstkritiker JJ Charlesworth vor zwei Wochen auf Twitter. Dafür gab es 177.000 Likes und 37.800 Retweets. Hat aber nix gebracht. Wir machen jetzt also noch einen Lockdown light oder Lockenwicklerdown oder Lock ohne Down oder was auch immer. Wenn wir danach wieder rausgehen, ist das Virus zwar immer noch da, aber hey, wir haben wenigstens was gemacht. Und natürlich nicht irgendwas, nein, es ist wissenschaftlich bestens fundiert. Zum Glück haben wir ja eine Physikerin als Kanzlerin. Und die Physikerin hat das Problem mit wissenschaftlichem Scharfblick identifiziert: Unterhaltung. Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, müssen aufhören. Ich bin kein Physiker und kann die dahinterliegende Physik nicht beurteilen, aber ich weiß, was das auf jeden Fall ist: Protestantismus. Was Spaß macht, wird verboten, dann wird Gott uns gnädig sein und wir werden ewig leben. 
Zufällig schließt man dabei genau die Orte, die funktionierende Hygienekonzepte hatten: Restaurants, Theater, Kinos, Konzerte, Museen. Oh ja, Museen, also diese riesigen Hallen, wo viele Bilder hängen und einzelne Menschen herumstehen. Klar, das sind Pandemietreiber, genau wie Kinos und Konzerthallen, in denen ein paar maskierte Menschen sich verlieren. Versteht jeder. In U-Bahn-Stationen und Busse und Züge dürfen wir uns dagegen weiter hineinpferchen, denn das dient ja nicht dem Vergnügen. 
Die meisten Ansteckungen passieren übrigens zuhause. Wenn sich herausstellen sollte, daß in Privatwohnungen so etwas wie Unterhaltung stattfindet, sollte man sie daher schließen und die Leute stattdessen in die Kinos schicken, aber natürlich nur in Filme, die keinen Spaß machen. Also eine Art Berlinale. Es wäre zum Verzweifeln, aber immerhin tut sich in den Medien etwas, und die Leute sind auch nicht mehr still. Die Angststarre des Frühjahrs-Lockdowns wird nicht wiederkehren. Stay the fuck home is over. Sieht man zum Beispiel hier im Handelsblatt. Ist mir mittlerweile auch völlig egal, ob ich hier die taz verlinke oder Cicero oder die Wirtschaftswoche oder die Achse des Guten oder den Postillon. 
Auch in meinen Künstlerkollegenkreisen mehren sich Stimmen, die sagen: Ihr habt doch nicht mehr alle Latten am Zaun, da hängen mehr Existenzen dran, als ihr euch klarmacht, eine ganze Branche ist nicht etwa arbeitslos und hat auch kein Nachfrageproblem und keine Krise, sondern staatlich angeordnetes Berufsverbot. Auf solche Beschwerden bekam man bisher üblicherweise zu hören: Was regst du dich auf, hierzulande ist doch alles total easy. Sorry, Freunde, aber wer so argumentiert, der hat den Schuss nicht gehört, der hat vermutlich auch kein Problem damit, den Leuten Kuchen zu empfehlen, wenn sie kein Brot haben, oder zu sagen: Wenn ihr kein Geld habt, dann geht doch einfach zum Automaten. 
Weil sämtliche Coronamaßnahmenkritik lange Zeit als rechts stigmatisiert wurde, obwohl sie in der Sache eher links zu verorten wäre, haben die Kulturschaffenden lange den Mund gehalten. Jetzt sagen sie was. Ich begrüße jede einzelne dieser Stimmen, ganz egal, ob sie im Nebensatz vor dem Virus warnt oder eher so den Wodarg raushängen läßt oder ersteres signalisiert und dabei letzteres impliziert oder umgekehrt. 
Ich selber frage mich übrigens selber seit Monaten: Was mache ich hier eigentlich? Warum halte ich nicht einfach den Mund und mache meinen Kram? Gründe dafür demnächst per Blog oder auch nicht. Man macht halt das, was man für richtig hält, auch wenn Leute, die man für klug gehalten hat, dann ankommen und in einem Tonfall kommentieren, der jeder Beschreibung spottet. 
Eins ist mir noch ziemlich wichtig, dann höre ich auf, und zwar: Hört doch bitte alle endlich mal auf, von „Disziplin“ zu schwadronieren und mit dem Finger auf irgendwelche Gruppen zu zeigen, die angeblich an allem schuld sind. Das ist aus drei verschiedenen Gründen doof.
Erstens machen Menschen halt einfach das, was sie machen. Zusammenkommen gehört dazu. Das ändert kein Lockdown und kein Lauterbach. Kann man schlimm finden, aber dann muß die Regierung halt das Volk auflösen und ein neues wählen. Appelle bringen nichts. Appelle haben noch nie was gebracht. Appelle macht man überhaupt nur, damit man hinterher sagen kann: Appelle haben nichts gebracht. Also entweder ihr stellt in jede Wohnung einen Polizisten – oder macht euch mal endlich Gedanken, wie die Zahlen eigentlich aussehen und was man da in puncto „fokussierter Schutz“ machen könnte, so wie fast alle Ärzteverbände und überhaupt sehr viele Fachleute das mittlerweile fordern. 
Zweitens: Es sind nicht irgendwelche bösen disziplinlos Feiernden, nee, wir verbreiten alle das Virus einfach so. Vielleicht sogar mit Maske, oh Gott, wer weiß. Es ist ein Atemwegsinfekt, verdammt nochmal. Bei Aids kann man „Kontakte“ relativ klar benennen (und hey, auch das hat in 40 Jahren nicht richtig geklappt), aber bei einem Atemwegsvirus trifft der Begriff „Pustekuchen“ die Sache ganz gut. Es geht herum. 
Drittens: Sündenbock-Reflexe sind finsteres Mittelalter. Sollte unsere moderne Gesellschaft eigentlich in der Schule gelernt haben. In jeder Pandemie und überhaupt in jeder Notlage wurde immer gern eine Gruppe identifiziert und ausgegrenzt. Stehen wir heute drüber? Nö. Man muss nur mal kurz auf Twitter gehen, dann wird einem so schlecht, als wäre man im Jahr 1200 bei einer Hexenverbrennung auf dem Marktplatz von Schwäbisch Hall. 
So, fertig. Ach nee, noch was. 
Es ist ja nett, daß alle immer noch betonen: Ich finde die Maßnahmen gut und halte mich dran, und wer was anderes sagt, der „schwurbelt“ oder „raunt“. Aber wisst ihr was? Wir sind eine Demokratie. Wir können und sollen alles öffentlich diskutieren. Vor allem die wichtigen Sachen. Das gehört dazu. Das muß sogar sein. Und es ist differenziert möglich. Man kann also die Maßnahmen tiptop in Ordnung finden und trotzdem sagen, daß sie auf demokratisch suboptimalem Wege zustandegekommen sind. Man kann das Virus für sehr gefährlich halten und trotzdem fragen, ob diese Maßnahmen sinnvoll sind. Man kann sich die Daten anschauen und sich fragen, ob die im Frühjahr befürchtete exponentielle Ausbreitung sich tatsächlich irgendwo auf der Welt manifestiert hat und wenn ja, warum nicht. Man kann Masken befürworten oder dagegen sein. Man kann sogar Masken befürworten und sich trotzdem fragen, ob das gesund ist. Man kann das Virus für gefährlich halten und trotzdem gegen Masken sein. Man kann die Daten anschauen und daraus schließen, dass Masken ja anscheinend doch nicht so viel bringen, oder man kann daraus schließen, dass eine Maske nichts bringt und wir daher zwei übereinander tragen sollten. Man kann fragen, was diese ganzen positiven Tests überhaupt sagen und wieviele von den Leuten tatsächlich erkranken. Das geht alles. Man wird dadurch weder zum Reichsbürger noch zum Impfgegner. Ich selber bin übrigens auch weder Impfgegner noch Reichsbürger. Im Gegenteil, ich bin Impfbürger und Reichsgegner. Ich bin für freiheitlich-demokratische Grundordnung, für evidenzbasierte Medizin, für Vernunft und gegen jede Art von Wahnsinn. Und ich bin ziemlich wütend. 
So, fertig. Ich wünsche happy Softlockdown. Wir sehen uns dann in Privatwohnungen. Natürlich mit Abstand und Maske. Das werden Orgien, von denen wir noch unseren Enkeln erzählen werden. Ich rede natürlich von Öffnungsdiskussionsorgien. Neben „Hygienekonzept“ und „Zerstreuungsgebot“ ist das eins der schönsten Wörter, die dieses wahnsinnige Jahr hervorgebracht hat. Es kommen aber bestimmt noch weitere. Jede Generation hat ihren Weltuntergang, dies ist unserer, aber immer wieder morgens geht die Sonne auf. Gute Nacht. Bleiben Sie gesund und denunzieren Sie Ihre Nachbarn.


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Ein Kommentar

  1. Jana
    31. Oktober 2020
    Antworten

    Der Beitrag war so gut, das ich hier meinen ersten Kommentar ablassen muss. Ich hab mich am Ende weggeschmissen. Besser als heulen, was durchaus angebracht ist, und mir auch vor zwei Tagen im Amtsgericht passiert ist.
    Sehr treffend geschrieben.
    Nun dann ist es so. Was wir in vielen Filmen als Unterhaltung konsumiert haben, um mal etwas Aktion in unseren Alltag zu bringen, ist nun Realität. Ist nur nicht unterhaltsam.
    Ich wünschte mir, die Künstler und anderen Kulturschaffenden hätten sich schon viel früher gewehrt oder wenigstens kritisch zu Wort gemeldet.

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