9.9.2022

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Liebes Tagebuch,
ein bisschen Bammel habe ich schon, das hier so öffentlich zu machen. Then again, the world is fucked up – and we all know it. Soll doch jeder wissen, wie es um mich bestellt ist.

Werde ich bereuen, diesen Text öffentlich gemacht zu haben, wenn ich wieder nüchtern bin? Womöglich. Werde ich es aushalten, dazu zu stehen und ihn nicht zu löschen? Time will tell.

„Existenzscham“ war ein Begriff, der noch vom letzten Mittwoch nachklingt in mir, die Therapeutin hatte davon gesprochen und ich hab mich darin nicht wirklich gesehen, aber jetzt, im Nachhinein, vielleicht doch ein bisschen?

Ja, es ist mir peinlich, dass mein Leben nicht rund läuft. Dass meine Ehe gescheitert ist und die Mutter meines Kindes und ich meilenweit davon entfernt sind, eine friedliche, unterstützende Elternbeziehung zu führen. Es ist mir peinlich, dass mein Stiefvater morgen genau diese Kindsmutter hinter meinem Rücken in Berlin trifft und es ist mir ebenso peinlich, dass ich heute, am 9.9.2022, am Tag des sechsten Geburtstag meines Kindes, von diesem ausgeschlossen worden bin, ja selbst telefonisch erreiche ich mein Kind nicht, er „wolle nicht telefonieren„.

Ja, klar.
Es muss wohl an mir liegen.

Jeder, der ein Kind hat weiss, dass Kinder meist das tun, was das gerade verantwortliche Elternteil stillschweigend „verlangt“, they please their parents, sie wollen alles richtig machen und Konflikte vermeiden. Noah kann nichts dafür. Er muss ausbaden, was seine Eltern gerade im großen Stil verkacken.

Und trotzdem – der heutige Tag verändert einiges. Das hatten wir noch nicht, dass sie mich komplett von seinem Geburtstag ausgrenzt. Und das macht nicht nur tieftraurig, das ist auch irgendwie – wie soll ich es ausdrücken -ich habe das Gefühl so kann, darf es nicht weitergehen.

Fluchtgedanken. Weg, weit weg. Alkoholismus-Ideen oder auch schon anfängliche (und erfolgreiche!) Reduzierung des inneren Schmerzzustandes durch eine Pulle Whisky, die immerhin erst zu einem Drittel geleert wurde.

Ihre Mutter war Alkoholikerin, Geschichten wiederholen sich anscheinend, haha, unlustig.
Das bescheuerte und schwer auszuhaltende ist, wenn sich die Scheißgeschichten wiederholen, obwohl man eigentlich längst weiß, wie man es bewerkstelligen könnte, dass es eben nicht so kommt. Weiß ich das wirklich? Ja, vielleicht ein bisschen. Den Vater nicht vom Geburtstag des Kindes auszugrenzen, wäre vermutlich nicht ganz verkehrt, wenn man daran interessiert wäre, diese Welt zum Besseren zu wenden. Aber das tut sie ja gar nicht, sie hat damit rein gar nix zu tun, denn „er will dich nicht sehen„…

Ja, klar – muss wohl an mir liegen..

Warum schreibe ich diesen Text? Weil ich schreiben muss, bevor ich zugrunde gehe. Ich kann – offen gestanden – nicht mehr. Es ist alles ein bisschen viel gerade und das schreiben hilft, das sich zeigen, das sich entblößen. Ja, es läuft richtig scheiße bei mir, hier bitte schön. Schmerz kann befreien.

Bis Mittwoch noch (das war vor zwei(!) Tagen) wollten wir eigentlich den Geburtstag gemeinsam gestalten, so war der Plan, bis sie (nennen wir sie Ex) dann in der Mediation oder Therapie – irgendwie war zuletzt sogar unklar, was genau es nun sein soll – dann plötzlich sagte, also wenn das so ist, dann kann ich mir nicht länger vorstellen, den Geburtstag unseres Kindes mit Dir gemeinsam zu begehen. Ja, „so“, wie „so“? Mit „so“ war vermutlich gemeint, dass ich ihr a) dämlicherweise und einmal mehr offenbarte, dass ich immer noch einen Sinn darin sehen würde, unsere Familie zu retten, sprich immer noch ein Interesse habe an ihr als Frau/Partnerin. Also ich als Mann, falls man das noch so sagen darf, Mann und Frau, die Älteren hier kennen diese Begriffe vielleicht noch. Jedenfalls gestand ich einmal mehr, dass ich immer noch für das Konzept der Familie brenne (das war diese Sache, bei der die Partner an den Themen arbeiten, anstatt sich gleich beim ersten Furz zu trennen) und mein Herz dafür schlägt, gemeinsam zu gehen und Partnerschaft vorzuleben. Kam gar nicht gut an. Und b) war dann da noch das Ding mit dem shedding….

Sind wir ehrlich: sie lief an dem Tag einfach von vornherein in eine ziemlich beschissene Richtung, diese Ex-Paar-Therapiestunde. Ich war erkältet und die Therapeutin fragte mich gleich zu Beginn – ich war gerade angekommen und die Ex war noch nicht zugegen – ob ich „Kontakt zu Geimpften“ gehabt habe. Wie bitte? Ich war da schon ziemlich angenervt, weil ich zwar die autoritäre und unverhältnismässige Coronapolitik aufs Schärfste verurteile, bei so Sachen wie shedding aber eher raus bin – das ist mir einfach zu lebensfremd, Menschen nun in geimpft und nicht geimpft einzuteilen und sich in diesen Kategorien zu bewegen, nee, da bin ich raus. Mal ganz abgesehen davon, dass die Datenlage da auch alles andere als überzeugend zu sein scheint. Jedenfalls eine herrlich Situation: auf der einen Seite die Therapeutin, shedding macht ihr Sorgen, und sie fragt mich also, ob ich Geschlechtsverkehr gehabt hätte mit ner Geimpften, weil ich ne Schniefnase hatte. Und auf der anderen Seite meine Ex, die – selbst geimpft – bei der Scheidung noch mit Maske im Saal hockte und gefühlt bis vor kurzem (und möglicherweise immer noch) für mich die reale Gefahr verkörperte, dass mein Sohnemann demnächst die Spritze bekommt, Der Clou: die beiden waren dann voll nice miteinander! Richtig nice girls, voll entspannt und so. Ich wollte es ja eigentlich gut sein lassen, als dann die Therapeutin, die Ex war inzwischen zugegen, das ganze nochmal neu auftischte. Ob ich das Thema nochmal einbringen wolle, also warum hier gerade dicke Luft sei. Ähm ja, naja, also jetzt wo Du’s in Gegenwart von Ex ansprichst, bleibt mir wohl nix anderes übrig, wenn wir eine Session auf Augenhöhe starten wollen, oder?!

Ich erkläre also der Ex warum gerade dicke Luft mit Therapeutin herrscht, lasse Therapeutin ihre shedding Sorgen erklären. Und dann – oh Wunder – verstehen sich alle beide blendend. Ich bin – einmal mehr – der Sonderling, Impf-Befürworter und shedding-Gläubige sind sich eins, die Therapeutin weiß um das dünne Eis und stellt nochmal unmissverständlich gegenüber der Ex klar: „ja also bei dir habe ich keine Anzeichen gespürt, das ist immer unterschiedlich..“ Sehr gut, dann ist also alles total kuschelig, Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, alles in Butter, die Therapie Stunde beginnt, nur ich habe so ein bisschen das Gefühl, das könnte scheitern. Und so kommt es dann auch.

Als ich im weiteren Verlauf der eher holprigen Session an einem bestimmten Punkt für mich eine Grenze setze und freundlich, aber bestimmt, die Session verlassen möchte (ich gebe zu, ich hätte bestimmt auch etwas geduldiger sein können und wäre an dem Tag wohl besser nicht mit dem falschen Fuss aufgestanden) , bezieht Ex das anscheinend sehr auf sich und reagiert, indem sie kurzerhand den gemeinsamen Kindergeburtstag absagt. We’ve been there before.

Pro-Tipp: if you do a mediation with your Ex. better dont tell her that you still love her, unless you are the main cast in a love movie – there it might actually work.

Sagte ich love? Ach Gottchen, wer wird denn sentimental werden, es geht hier ja schließlich nur um eigentlich fast alles. Love, hate, love.. und dann – zwei Tage und die ein oder andere SMS-Eskalation später – ist Premiere und ich kann meinen Sohn nicht sehen an seinem sechsten Geburtstag. Also Momentchen mal, ist das jetzt die neue Mama-Pädagogik, Papas einfach rauszukegeln!? Come on, das kann doch wohl nicht Dein ernst sein. Er wollte es so. Und er will auch nicht telefonieren.

Ach so. Na dann. Muss es wohl an mir liegen.

PS: to all the daddies, that experience similar shit. Never give up. Stay strong. I love you.
PPS: es ist noch Kuchen da und er ist sehr lecker!

„So jung kommen wir nie wieder zusammen“



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