1.Mai 2021 in Weimar

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Man muss sich das klar machen: das berechtigte Anliegen vieler Bürgerinnen und Bürger, den Tiefschlag gegen den Weimarer Familienrichter (der es gewagt hatte, bzgl. Masken an Schulen Recht zu sprechen und dies zu begründen) in angemessenem Rahmen zu betrauern und der Demokratie zu gedenken, wurde systematisch unterdrückt. Demoverbote, Verhindern des Zuges, Einkesselung unter Gewaltanwendung, massenhafte Sanktionierung und systematische Akteneinträge sowie zuletzt die rasche Entfernung der niedergelegten Insignien erinnern an einen Polizeistaat.

Der Beginn verläuft ruhig

Ich bin heute spontan zur Demo in Weimar gefahren. Grund war, dass ich mit dem Niederlegen einer weißen Rose vor dem Landgericht symbolisch an unsere Demokratie und die ihr immanente Trennung von Justitia und Politik erinnern wollte. Wer genau zur Demo gerufen hatte, habe ich nicht verfolgt – mir erschien es aus eigenen Stücken wichtig, Gesicht zu zeigen für die Trennung von Politik und Rechtssprechung. Ich hatte allerdings mitbekommen, dass die Rechtsanwältinnen Viviane Fischer und Beate Bahner vor Ort sein würden.

Ein Familienrichter des Weimarer Verwaltungsgericht hatte hier vor kurzem ein Sensationsurteil gesprochen und samt Gutachten sehr detailliert begründet, warum Maskenpflicht und Testungen an Schulen unvereinbar mit dem Grundgesetz sind. Nun wurde bei diesem Richter eine Hausdurchsuchung veranlasst und die Weimarer Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Rechtsbeugung. Da es ein ungeschriebenes Gesetz der Demokratie ist, dass Justitia die Politik durch ihr Urteil ausbalancieren soll, und diese das Urteil der Justitia zu respektieren hat, wurde hier wieder eine rote anti-demokratische Linie überschritten, offensichtlich um ein Exempel zu statuieren.

Den ersten Polizeikontakt hatte ich bereits ausserhalb von Weimar im PKW, es gab eine Strassenkontrolle, ich machte drei Polizeibusse und dazugehörige Beamte aus. Später teilte man mir mit, dass Demoteilnehmer gezielt zum Umkehren aufgefordert wurden. Bei dieser Kontrolle hatte ich jedoch Glück, sie wurde wenige Fahrzeuge vor mir unterbrochen. Kurz darauf, ca 13h, bei der Einfahrt in die Stadt kamen mir nochmal drei weitere Busse mit Blauchlicht und Lichthupe und sehr schnellem Tempo entgegen. Um ca 14h versammelten sich knapp hundert Personen an der Kreuzung direkt am Landgericht. Dieses war mit Metallgattern abgeriegelt und auch im Umfeld waren bereits Beamte, die das Durchkommen zumindest an einigen Strassenecken unmöglich machten, man musste Seitenstraßen nehmen.

Aus den etwa hundert Menschen wurden rasch mehrere Hundert – ein recht bunter, aber eher bürgerlicher Querschnitt durch die Gesellschaft, viele Ü50. Multi-Milliardäre waren wenn, dann vermutlich inkognito, ich konnte keine erkennen. aber who knows.. Viele hatten weiße Rosen dabei, wobei das Niederlegen der Rosen laut Pressesprecherin der Polizei an diesem Tag verboten wurde. Die Initiatoren von „Anwälte für Aufklärung“ waren nicht zu sehen. Die Menschen begannen, weiße Rosen, Kerzen und Gedenkschriften an der Absperrung zum Landgericht niederzulegen.

Die Stimmung wird aufgeheizt

Die eigentlich friedliche Stimmung der Gedenkfeier wurde bald ein wenig durch einige Agitatoren am Megafon getrübt. Diese machten zwar verständlicherweise ihrem Ärger über die lebensfeindlichen Massnahmen Luft, formulierten aber immer wieder unsauber und aufwiegelnd. Als einer Stimmung gegen ein anwesendes Presseteam machte, griff ich ein und suchte den Dialog am Megafon (LINK!) , da mir dieses Vorgehen nicht friedlich und einer glaubwürdigen Demokratie Bewegung abträglich erschien.

Es ist eine verflixte Situation: die Empörung der Menschen kann ich einerseits nachvollziehen und sie wird weiter anwachsen. Andererseits ist es besorgniserregend, wenn ständig diejenigen, die übertreiben und agitieren, dabei zum Teil eine gefährliche Rhetorik verwenden, nach vorne gehen und die anderen entweder „mitgrölen“ oder aber einfach nicht den Arsch in der Hose haben dagegen zu sprechen – das hat nichts Revolutionäres.

Ich glaube wir können die Dinge nur vollkommen friedlich verändern, blanke Wut hilft niemandem. Und ich glaube wir brauchen die Courage, auch denen die Stirn zu bieten, die vermeintlich auf „unserer Seite“ stehen, wenn sie beginnen zu übertreiben, unlautere Dinge zu behaupten bzw. sogar zu hetzen. Erst wenn besonnene, humane und wahrhaft friedliche Menschen liebvoll das Wort führen, wird diese Demokratie Bewegung erwachsen werden.

Hatz, Kessel und Polizeigewalt

Um ca 15h begann dann eine Art Katz und Maus Spiel, bei dem der eigentlich friedliche Tross von ca 1000 Menschen immer wieder durch Polizei Blockaden zum umkehren gezwungen wurde. Dabei erhöhte die Polizei ständig ihre Truppenstärke, immer wieder rannten größere Gruppen vollgepanzerte Uniformierte an den Seiten entlang, bis dann schließlich der Pulk -inzwischen auf ca 150 Personen geschrumpft – umzingelt, also eingekesselt wurde. Hierbei kam es zu Handgreiflichkeiten der Polizei gegenüber friedlichen Bürgerinnen und Bürgern, auch ich wurde beim Versuch, die Polizeigewalt zu dokumentieren und daraufhin dem Kessel zu entkommen, von einem oder mehreren aggressiven Beamten attackiert, zu Boden geworfen und von vielen Stiefelpaaren umstellt, man schlug mir das Handy aus der Hand und meine Gitarre fiel zu Boden, ich schrie instinktiv um Hilfe (kann ich in so einer Situation grundsätzlich empfehlen!). Man liess daraufhin von mir ab und schubste mich grob wieder in den Kessel hinein.

Anschliessend schaffte ich es glücklicherweise doch noch, den Kessel zu verlassen. Kurz zuvor wurde durchgesagt, dass alle eingekesselten Bürgerinnen und Bürger Strafanzeige (Ordnungswidrigkeit Teilnahme an verbotener Versammlung) und Akteneintrag bzw Personenüberprüfung bekommen würden, was dann auch durchgeführt wurde. Dieser Vorgang wird jetzt offenbar standardisiert durchgeführt (seit Stuttgart im März). Es ist tatsächlich sehr unheimlich, wie man hier Bürgerinnen und Bürger mit Hundertschaften schwer gepanzerter Truppen zuerst durch die Stadt treibt, sie herumschubst und dann unter Zwang systematisch (so zumindest meine starke Vermutung) katalogisiert – das darf in diesem Land eigentlich nicht passieren.

Um ca 17:30 ging ich noch einmal am Gebäude des Landgerichts vorbei: Polizeibeamte waren bereits dabei, die niedergelegten Rosen und Kerzen auf den Müll zu schmeißen. Man schmeißt die Demokratie in diesen Tagen symbolisch, aber auch real auf den Müll.


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Ein Kommentar

  1. Susanne Klodt
    3. Mai 2021
    Antworten

    Danke für den aufschlussreichen Bericht und vor allem für Ihr Engagement für unsere Demokratie und die Bürger und Bürgerinnen in diesem Lande.
    Auch ich bin seit einem Jahr gegen diesen Corona-Maßnahmen Verordnungswahn aktiv. Erfreulicherweise werden wir immer mehr.
    Auf diesem Wege sei nochmals allen Menschen, die in einflussreicheren Positionen (Juristen, Mediziner, Künstler, Schriftsteller, Unternehmer) sind als wir -Otto-Normalverbraucher – und sich für das Demokratieanliegen öffentlich starkmachen.
    Solidarische Grüße einer mündigen Bürgerin

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